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Malerei

 

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Rudolf Hesse

Der   Maler

1871 - 1944

Saarlouis

München

 

Seit 1917 bildete die Malerei von Rudolf Hesse den künstlerischen Schwerpunkt. Liest man die Liste der Werke der Gemälde dieser Zeit, so hat man den Eindruck, es handelt sich nur um malerische Variationen der Themen seiner Zeichnungen und Karikaturen aus der Vorkriegszeit: Klavierkonzert, Prozession, Zirkus, Duell, Ungeheuer.


Betrachtet man jedoch die Werke, so sieht man, Hesses Darstellungsform hat eine unübersehbare Metamor­phose erfahren. Waren seine humorvollen und grotesken Arbeiten vor dem Krieg leicht und schwerelos, sodass sich der Betrachter von ihnen emporgehoben fühlte und sich lachend mit ihnen identifizieren konnte, so werden die Gemälde und Grafiken nun dunkler, kontrastreicher und schwerer, wirken bedrängend und beängstigend. Das Auge kann sich nicht mehr mit der tänzerischen Linie frei auf der weißen Fläche bewegen, sondern es wird durch dunkle Farbflächen, die das gesamte Format hermetisch verschließen, eingeengt und gelähmt. Nun haben die Bilder und Grafiken die düstere Tiefe der Werke von Goya, Daumier, Kubin. Was uns zuvor durch groteske Lebendigkeit zum Lachen gebracht hat, hat sich in groteske, dämonische Alpträume verwandelt, sodass uns das Lachen im Hals stecken bleibt.


Es ist eine Zeit, in der sich auch die Zeichnungen Hesses wandeln, statt der filigranen Federzeichnungen finden wir dunkle schwere Kohlezeichnungen und bedrängende Aquatinta-Radierungen. Werke religiösen Inhalts, die den schuldbeladenen Menschen themati­sieren, erhalten im Werk von Rudolf Hesse zuneh­mende Bedeutung.


Rudolf Hesse (1871-1944): Tochter Lilly Hesse, 1923, Öl auf Leinwand, 92 x 72 cm

Tochter Lilly Hesse,1923

Öl auf Leinwand, 92 x 72 cm

Rudolf Hesse (1871-1944): Fröhliche Fronleichnamsprozession auf dem Lande, 1925, Öl auf Holz, 50 x 60 cm

Fröhliche Fronleichnamsprozession

auf dem Lande, 1925

Öl auf Holz, 50 x 60 cm

„Es gibt kleine Bildchen Hesses, die man nicht als Kopien ansprechen kann, obwohl dies ganz deutlich der Blue Boy Gainsborouhs oder jenes van Dycks „Vor­nehmer junger Herr“ aus der Münchner Pinakothek ist: Es sind Transkriptionen, Interpretationen aus einer anderen Perspektive heraus, durch das Temperament eines anderen Jahrhunderts hindurch. Hesse gestaltete das von den Alten angeschlagene Thema weiter in freier Variation besonders nach der koloristischen Seite hin – fußend auf Reproduktionen, probierte er aus, wie er das Bild gemalt hätte.“   G. J. Wolf, 1922

Rudolf Hesse: Beweinung des vom Kreuz abgenommenen Jesu, ca. 1922 Öl auf Holz, 26 x 18 cm

Beweinung des vom Kreuz

abgenommenen Jesu, ca. 1922

Öl auf Holz, 26 x 18 cm

Als „Postmoderne“ bezeichnen wir heute eine künstlerische Haltung, die sich der Formen ver­gangener Kunst spielerisch bedient: nicht um sie nachzuahmen, sondern sie sich anzueignen. Dieses Verhältnis zum künstlerischen Erbe könnte verständlich machen, warum Hesse bis in die letzten Lebensjahre immer wieder Bilder malte, in denen er die unter­schiedlichen Stilmittel von Hals, Rembrandt, van Dyck, Gainsborough, Goya, Daumier, Renoir variierte. Es sind keine Kopien, sondern freie Variationen, in denen Hesse versuchte, sich selbst zu finden. „Transkription“ nicht als Kopie und Nachahmung bedeutender Bilder der Kunstgeschichte, sondern als deren Aneignung aus eigener Sichtweise, als schöpferische Anverwandlung, als Versuche, sich selbst im Anderen zu finden und zu erfinden.


Prof. Peter Pachnicke

Rudolf Hesse (1871-1944): Mann mit Hut, Altmeisterliche Studie, o.J., Öl auf Holz, 13 x 10,5 cm

Mann mit Hut, Altmeisterliche Studie,

o.J., Öl auf Holz, 13 x 10,5 cm

Rudolf Hesse (1871-1944): Nächtliches Konzert, 1923 Öl auf Holz, 36,5 x 49 cm

Nächtliches Konzert, 1923 Öl auf Holz, 36,5 x 49 cm

Was das künstlerische Gesamtschaffen von Rudolf Hesse betrifft, so ist seine Arbeit als Zeichner und Karikaturist in ihrer Bedeutung in einer Vielzahl von Veröffentlichungen beschrieben und gewürdigt worden. Für seine Malerei galt das damals noch nicht, da er seine künstlerischen Experimente auf diesem Gebiet nur in den Jahren 1917 bis 1922 in Ausstellungen der Öffentlichkeit zeigte. Über 2000 Werke der Malerei hat Hesse in seinen Arbeitsbüchern erwähnt. Diese Gemälde gilt es zu sichten, um sich ein umfassenderes Bild von seiner Malerei zu machen. Viele der Werke waren Porträtaufträge, von denen wir nicht wissen, ob diese in starker Anlehnung an die Münchner Schule traditionell oder ähnlich experimentierfreudig gemalt sind wie seine Porträtstudien, für die gewöhnlich seine Frau und Kinder Modell gesessen haben.


Dr. Volker Hochdörffer

Dr. Claudia Wiotte-Franz


Rudolf Hesse (1871-1944): Gaukler vor dem Dom, Öl auf Holz, 68 x 47 cm

Gaukler vor dem Dom

Öl auf Holz, 68 x 47 cm

1916 wurde Rudolf Hesse Mitglied in der „Münchner Künstlergenossenschaft“. 1917 trat er der Gruppe „Die Achtundvierzig“ bei. In deren Ausstellungen zeigte er nun neben seinen Zeichnungen auch einige seiner Porträts, die noch ganz dem Stil der Münchner Malerschule verpflicht waren. „Einer der ,Neuen’ ist Rudolf Hesse: ein delikater Feinmaler, der stärkste Stimmungswirkungen aus seiner tonigen Malerei herausholt, besonders liebevoll die Hände malt und ersichtlich von Leibl gelernt hat.“ (Münchner Augsburger Abendzeitung, 1917)

Rudolf Hesse (1871-1944): Tochter Renate mit offenem Haar ca. 1925, Öl auf Holz, 47,5 x 35 cm

Tochter Renate mit offenem Haar

ca. 1925, Öl auf Holz

47,5 x 35 cm

Rudolf Hesse (1871-1944): Am Krankenbett, ca. 1920, Öl auf Holz, 16 x 23 cm

Am Krankenbett, ca. 1920

Öl auf Holz, 16 x 23 cm

Hesses Malerei beschränkte sich damals jedoch nicht mehr auf Bildnisse im Stil der Münchner Malerschule. Auf seinen Studien-Reisen nach Amsterdam und Paris hatten ihn gleichermaßen Werke alter und moderner Malerei fasziniert: Rembrandt, van Dyck, Velazques, Gainsborough, Goya, Daumier, Renoir. Im Atelier experimentierte er bereits seit vielen Jahren mit den unterschiedlichen Stilmitteln dieser Maler, jedoch ohne mit diesen Werken an die Öffentlichkeit zu treten.

Die Palette von

Rudolf Hesse

Den Mut dazu hat er im Frühjahr 1917 als er „...den ganzen Lenbach-Saal mit Beschlag belegt und durch eine Skala von malerischen Möglichkeiten verblüfft, über die er in seiner Kunst verfügt. Da sieht man neben Bildnissen von jungen Mädchen, die ganz süß und minnig ausfielen, scharf charakterisierte Alte-Damen-Köpfe von malerischer Weichheit, Porträts von Offizieren von peinlicher Genauigkeit und dazwischen plötzlich Figurenbilder in der virtuosen Manier von Goya. Hier ist viel Kraft und starke Hoffnung – der Künstler wird in nimmermüden Experimenten sich ganz gewiss finden und seinen Weg machen.“ Seit dem 18. Lebensjahr litt Hesse an einem rheumatischen Fieber, das im letzten Kriegsjahr 1918 und 1921 dazu führt, dass er zeitweise nicht arbeiten kann. Hinzu kommen die politischen und sozialen Umwälzungen am Ende des 1. Weltkrieges, während der Bayrischen Räterepublik und in der Inflation, die ihn und sein Schaffen verändern.


Prof. Peter Pachnicke