Rudolf Hesse

Rudolf Hesse

Der Zeichner

1871-1944

Saarlouis

München

Kinderzeichnung von Rudolf Hesse

ca. 1880

Bereits in den Kinderzeichnungen von Rudolf Hesse spürt man dessen Begabung, Menschen seiner Umgebung in wenigen Strichen festzuhalten. In Kinderzeichnungen war es der vom Militär und den kleinen Gewerbetreibenden geprägte Alltag der Garnisonsstadt Saarlouis, den Hesse darstellte.


In München ist es das quirlige Leben einer Metropole, in deren Alltag Tradition und Moderne auf kuriose Weise miteinander verbunden sind. Es sind stets nur wenige Striche mit denen Hesse seine Beobachtungen festhält. Die Skizzen entstanden zumeist beiläufig als Entspan­nung von der angestrengten Arbeit des akademischen Malens und Zeichnens. Das spontane Zeichnen bereitet ihm Freude, aber erst die Bewunderung mit der diese Skizzen im Kreise seiner Freunde und Bekannten aufgenommen wurden, machten ihm bewusst, dass diese Ausdrucksmöglichkeit ein wichtiger Teil seines künstlerischen Schaffens ist.

Strassenszene, 1912

Federzeichnung, 16 x 9 cm

Rudolf Hesse war ein neugieriger Beobachter, einer dem es Freude bereitete, Menschen und Dinge zu studieren und Szenen skizzenhaft festzuhalten. In den Nächten blickte er durch seine Fernrohre auf die Bewegungen der Sterne am Himmel, am Tage konnte er sich nicht satt sehen am alltäglichen und festtäglichen Treiben der Menschen auf den Straßen, Plätzen, Märkten, in Kirchen und Biergärten. Aus diesem präzisen Skizzieren seiner alltäglichen Betrachtungen entwickelte er seine ganz eigene Kunstform. 

Münchner Strassenszene

Tuschezeichnung

 ca. 1929

Strassenszene

Federzeichnung, 14 x 12 cm, ca. 1912

Der Kritiker der Augsburger Abendzeitung schrieb 1912: „Hesse besitzt die seltene Gabe, aus dem Handgelenk heraus kleine Einfälle hinzuschreiben: zielsicher, prägnant und leicht, wie es der Stoff befiehlt. Manches ist sogar im Sauseschritt dahingefegt, von unmittelbar treffender Wirkung. Mit reicher Phantasie begabt, weiß er in witziger Art die menschlichen Schwächen – Einfalt, Dummheit, Dünkel und Hochmut – in köstlich wirkender, aber nie verletzender Kritik zu geben, und das ist´s, was uns die kleinen und unscheinbaren Blätter, die Zirkus-, Wirtshaus- und Theaterszenen, die Jahrmärkte und Straßenbilder, kurz dies ganze Volksleben, so liebenswürdig erscheinen lassen.“

In der Zeit von 1910 bis 1917, in der die „Münchner Fliegenden Blätter“, „Jugend“ und „Kladderadatsch“ regelmäßig seine humorvollen Zeichnungen veröffent­lichen und Hesse sie in Kunstausstellungen zeigt, beschäftigen sich Kunstkritiker intensiv mit seinem Werk. Die königliche Sammlung München erwirbt 1913 sieben seiner Federzeichnungen. Man sieht in Rudolf Hesse den wahrhaftigen Nachfolger von Wilhelm Busch, sowohl was den virtuosen Zeichenstil betrifft als auch in der geistigen Haltung. 

Tuschezeichnung, koloriert, 9 x 12.5 cm, 1916

Federzeichnung, koloriert, 14 x 28 cm 1918

Federzeichnung, ca. 1921

Im Unterschied zu Zeichnern wie Gulbransson registriert man, dass Hesses Zeichenstil der lebendigen Beobach­tung verpflichtet bleibt und sich nicht in der Ornamentik des Jugendstils verliert. Gegenüber der bissigen oft verletzenden Satire von Wilke und Thomas Theodor Heine sieht man in Hesses Darstellung einen Humor, der die menschlichen Schwächen in einer geradezu liebenswerten Form darstellt, ohne zu verletzen. 


„Sein Humor braucht keine scharfen Pointen und drastischen Ereignisse, irgendein gewöhnliches Faktum genügt ihm, um mit ein paar anscheinend nachlässigen Strichen alles zu geben“ (Münchner Post, 1912). Von der Kunstkritik besonders hervorgehoben wurde immer wieder die spielerische Leichtigkeit seiner Zeichnungen. Was er auch zeichnete, alles scheint zu schweben, sich vom Boden abzuheben, transparent zu werden. „Durch die senkrechten Reflexlinien unter den Füßen“, schreibt ein Rezensent, bewegen sich seine Figuren „wie auf einer transparenten Spiegelfläche“.


Leicht, duftig, mit verschwimmenden Umrissen gemalt, das war die besondere Wirkung des Sfumato, das vielen Gemälden und Bildern der Münchner Malerschule ihren besonderen atmosphärischen Reiz gab. Diese Wirkung erzielte Hesse in seinen Zeichnungen ausschließlich durch den Fluss der Linie auf der weißen Fläche des Papiers.

„Leicht und sicher führt Hesse die Zeichenfeder. Humor und Phantasie liefern ihm die Ideen für seine köstlichen Blätter [...] Von besonderer Kraft sind auch Hesses Zeichnungen, in denen er den sinnlosen Schrecken einer elementaren Furcht darstellt. Sein durch die Straßen tappender und Panik erzeugender Diplodokus ist hierfür charakteristisch.“

(Münchner Augsburger Abendzeitung, 12.10.1912).


Es begann nun eine äußerst produktive und erfolgreiche Zeit für Rudolf Hesse. Der Durchbruch erfolgte im Herbst 1911 mit einer größeren Ausstellung in der Galerie Heinemann in München, wo er „von Humor belebte Zeichnungen“ ausstellte. Hesse steht auf dem Boden Wilhelm Buschs, ohne Zweifel, das ist der gleiche epigrammatische, prägnante auf’s Allerunentbehrlichste zurückgeführte Federstrich, die gleiche reinliche Zier­lichkeit der Handschrift, hinter deren Schnörkeln eine große Kenntnis der Form stehen muss. Aber Hesse kommt auch nicht nur im Äußerlichen, er kommt auch qualitativ Busch oft recht nahe in der Art, wie er das Charakteristische in witziger und übermütiger Übe­rtreibung zur Karikatur umformt, etwa in seinen zahlreichen Typen von Bureaukraten und trockenen Spießern. Weitere Ausstellungen in der Galerie Ernst Arnold in Dresden im Mai 1912 und im Münchener Kunstverein (Verband deutscher Illustratoren, Orts­gruppe München) im Oktober 1912, der er seit 1904 als Mitglied angehörte, folgten. „Endlich auch ein wirkliches Illustrationstalent, Rudolf Hesse, dessen nette, humoris­tische Federspielereien sich gelegentlich zu respek­tabler Kunsthöhe erheben.“

(Münchener Post 12 -19. Oktober 1912)

Federzeichnung, koloriert, 14 x 28 cm 1918

Dr. Volker Hochdörffer

Dr. Claudia Wiotte-Franz

Der Künstler Rudolf Hesse (1871-1944) 

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