Rudolf Hesse wurde am 13. Juli 1871 als jüngstes von drei Kindern des Kaufmanns Michel Hesse und seiner Frau Sibilla geb. Küpper in Saarlouis geboren. Zusammen mit seinen beiden Brüdern Hugo und Emil wuchs Rudolf in der Festungsstadt auf.
Vom französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. gegründet und von Sébastien le Prestre de Vauban erbaut, war Saarlouis nach 1815 zu einer preußischen Garnisonsstadt ausgebaut worden. Militär, Handel und Handwerk waren die Stützpfeiler von Saarlouis. Soldaten, Kaufleute und Handwerker bestimmten das Straßenbild der Festungsstadt, deren Befestigungsanlagen zu dieser Zeit noch vollständig erhalten waren. Rudolf Hesses Kindheit und Jugend waren geprägt von den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen nach 1871: Von der Gründung des Deutschen Kaiserreiches, dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges und der aufkommenden Industrialisierung.
Rudolf Hesse, 1880
im Alter von 9 Jahren
Rudolf Hesse erlebte als Neunjähriger nicht nur die Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag der Festung, sondern auch den Brand des Kirchturmes von St. Ludwig. Als Jugendlicher konnte er hautnah die Schleifung der Festungsmauern seit 1889 beobachten, die zur Öffnung der Stadt und zum wirtschaftlichen Aufschwung beitrug. Der Kaufmann Michel Hesse betrieb am Kleinen Markt, Ecke Französische Straße nur einen Steinwurf vom imposanten Französischen Tor entfernt, eine Eisenwarenhandlung inklusive dem Vertrieb von Mettlacher Platten und Portland Cement.
Geburtshaus von Rudolf Hesse in Saarlouis, um 1890
Französische Straße / Ecke Kleiner Markt, im Erdgeschoss befand sich der Laden von Michel Hesse
In seiner Freizeit widmete er sich der Malerei und vor allem der Fotografie. Sein Sohn Rudolf Hesse zeigte bereits als Kind ein großes zeichnerisches Talent. Zunächst wurde er, wie auch bereits sein Bruder Emil, im väterlichen Betrieb als Kaufmann ausgebildet. Als Emil Hesse 1895 als Verkaufsleiter für „Villeroy & Boch“ nach München ging, motivierte er Rudolf Hesse, ihm nach München zu folgen, um sich an der Akademie der Bildenden Künste zu bewerben.
Nach erfolgreichem Besuch der Primarstufe im Jahr 1896, konnte sich Rudolf Hesse am 18. Mai 1897 in die Natur-Klasse von Prof. Nikolaus Gysis einschreiben. Der aus Griechenland stammende Genre- und Historienmaler Nikolaus Gysis (1842 – 1901) lehrte seit 1878 zunächst als Hilfslehrer und seit 1881 als ordentlicher Professor an der Akademie und unterrichtete dort die Mal- und die Naturklasse. Neben der Malerei zählten auch Karikaturen, Plakatentwürfe, Buchillustrationen, Tonstatuetten und Reliefs zu seinem Werk.
Die bayerische Metropole München war wie auch Berlin um 1900 ein Sammelpunkt der künstlerischen Avantgarde. An der Akademie der Bildenden Künste München lehrten unter anderem Franz von Stuck, Heinrich von Zügel, Friedrich August von Kaulbach. Als Studenten, die sich heute wie ein „who is who“ der Kunstgeschichte des beginnenden 20. Jahrhundert lesen, waren in dieser Zeit unter anderem Max Slevogt, Bruno Paul, Franz Marc, Alfred Kubin, Paul Klee, Wassily Kandinsky und der Saarländer Albert Weisgerber eingeschrieben. Wann, wie und in welcher Form Rudolf Hesse zu ihnen Kontakt hatte, ist nicht überliefert. Zahlreiche Ausstellungsorte, allen voran der Münchener Glaspalast, boten den Künstlern damals die Möglichkeit, sich einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.
Innenansicht des Ladens von Michel Hesse
um 1890
Der Kunststudent Rudolf Hesse
1898
Akademie der Bildenden Künste München um 1900
Obere Reihe (v.l.n.r.):
Albert Dick, Rudolf Hesse,Othmar Döblie, Anton Massa, Unbekannt, Aristeus Frexus
Mittlere Reihe (v.l.n.r.):
Unbekannt, Carl Meili, Frederik Bartlett, Friedrich Gegenmeier
Vordere Reihe (v.l.n.r.):
Albert Isler, Josef Andres, Philipp Vlasdeck
Malklasse von Prof. Nikolaus Gysis, 1898
Hochzeit von Felicitas Tillessen und Rudolf Hesse
am 8. August 1908 in Koblenz in der Villa Asterstein
In München lernte Rudolf Hesse seine spätere Frau Felicitas Tillessen kennen, die an der Kunstgewerbe-schule studierte und seine begeisterte Schülerin wurde.
Im August 1908 wurde die Hochzeit von Rudolf und Felicitas Hesse in der Villa Asterstein in Koblenz-Ehrenbreitstein, wo die Eltern von Felicitas Tillessen seit einiger Zeit lebten, im festlichen Rahmen gefeiert. Als die Tochter Lilly im Juni 1909 zur Welt gekommen war, entschloss sich die Familie Hesse zu den Eltern von Felicitas Hesse nach Koblenz zu ziehen.
Felicitas Hesse ‘Fliederstrauss'
Öl auf Leinwand, 51 x 57 cm
(Sammlung Renate und Michael Buckler)
Felicitas und Rudolf Hesse,1908
Rudolf Hesse in seinem Atelier
in München /Schwabing ca. 1920
Rudolf Hesse eröffnete in Koblenz eine Malschule und bald fand dort auch seine erste Einzelausstellung statt. Ursprünglich beabsichtigte Rudolf Hesse sich für einen längeren Zeitraum in der Rheinprovinz in Koblenz niederzulassen. Der plötzliche Tod des Schwiegervaters Karl Tillessen im April 1910, die Geburt des Sohnes Werner und die schwierige Auftragssituation in Koblenz veranlasste die Familie Hesse 1911 nach München zurückzukehren. Dazwischen lag ein kurzer Aufenthalt im Westerwald, wo Rudolf Hesse den Auftrag zur Restaurierung des Kreuzweges der katholischen Kirche in Holler ausführte. Schließlich erhielt die Familie 1912 mit der Geburt von Renate weiteren Zuwachs.
Man bezog in Schwabing in der Leopoldstraße 135 eine Wohnung und konnte im März 1918 in der Nachbar-Wohnung ein großes Atelier einrichten, in dem Rudolf Hesse bis zu seinem Tode arbeitete.
Texte: Dr. Volker Hochdörffer
Dr. Claudia Wiotte-Franz
Rudolf Hesse in seinem Atelier
ca. 1940
Der Künstler Rudolf Hesse (1871-1944)
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